Biografiearbeit.
Wie lässt sich Biografiearbeit beschreiben?

Biografiearbeit ist eine Tätigkeit, in der gelebtes Leben durchgestaltet und zum Ausdruck gebracht wird, damit stellt sie einen schöpferischen Akt dar. Für diese Hervorbringung braucht es Gestaltungsmedien: schreiben, erzählen, malen, filmen, tanzen, fotografieren, rappen. Entstehen können dabei Erinnerungskisten, Lebensbücher, Fotocollagen, Texte, Begegnungen und vieles mehr. Durch Biografiearbeit wird der Welt etwas hinzugefügt: das was man durch die Beschäftigung mit dem Thema neu geschaffen hat; das was dem großen Fluss des Lebens, dem immerwährenden Augenblick, der auch schon vorüber ist, abgerungen wurde und was Gestalt gewonnen hat. Und dies ist, was auch immer die konkreten biografischen Themen sind, eine erfüllende und befriedigende Erfahrung. Und die gehört nun auch zur Biografie dazu.

Das Wort Biografie setzt sich aus den griechischen Worten „Bios“ und „Graphie“ zusammen. „Bios“ bedeutet Leben, und „Graphie“ Niederschrift, Aufzeichnung. Im Bild gesprochen können wir sagen: Eine Biografie entsteht, indem man aus dem Fluss des Lebens schöpft und damit Erlebtes in eine Form bringt, sie in Erfahrung überführt.

Die Beschäftigung mit Biografien, der eigenen oder der von anderen, ist die Beschäftigung mit dem Leben des jeweiligen Menschen. Und da das Leben der Menschen sich in der Zeit abspielt, ist es eine Beschäftigung mit dem Leben in der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft. Der Anlass für die Beschäftigung mit der Biografie liegt in der Gegenwart. In ihr entstehen Veränderungen der Lebenssituation, Fragen die uns umtreiben und damit einhergehend ein Interesse, den roten Faden des eigenen Lebens zu entdecken und in die Hand zu bekommen. Der Impuls zur Biografiearbeit oder der Wunsch danach gehört somit zum gegenwärtigen Erleben.

Biografiearbeit setzt in der Gegenwart, beim momentanen Anliegen, an. Von da aus fördert die Biografiearbeit einen Rückblick auf die Vergangenheit, unterstützt die Suche nach Zusammenhängen und regt zu Verflechtungen unterschiedlicher Ebenen und Erfahrungen an – immer in Bezug auf die Fragestellungen oder Situationen, die sich aus der Gegenwart ergeben. Im Weiteren richtet Biografiearbeit ihre Aufmerksamkeit in die Zukunft und fragt nach den Perspektiven, die mit der Entwicklung des biografischen Prozesses verbunden sind, nach möglichen Handlungs- und Entwicklungsschritten, nach einem Horizont, auf den man zugeht bzw. zugehen will.

Mentorinnen und Mentoren für Biografiearbeit kommen aus Arbeitsfeldern, in denen Lebensgeschichten von Menschen eine Bedeutung gegeben wird. Das sind zum Beispiel Fachkräfte aus dem psychosozialen Bereich wie Sozialpädagog:innen, Therapeut:innen und Psycholog:innen, Hospizmitarbeitende und Erzieher:innen, sowie Pfarrer:innen, Journalist:innen, Personalentwickler:innen und andere.

  • Biografiearbeit bietet sich in individuellen Übergangsphasen und Krisenzeiten zur Klärung und Stärkung an.
  • In der Arbeit mit älteren und alten Menschen dient Biografiearbeit der Lebensbilanzierung.
  • In gesellschaftspolitischen Kontexten wird sie eingesetzt, um Ortsgeschichten und zeitgeschichtliche Themen zu rekonstruieren.
  • Im psychosozialen Bereich bietet Biografiearbeit gute Zugänge zum ressourcenorientierten Arbeiten mit Klienten.
  • In der Arbeit mit vom Jugendamt finanzierter ambulanter Familien- und Jugendhilfe gewinnt Biografiearbeit zunehmend an Bedeutung. Sie spielt z.B. in der Arbeit mit denjenigen Kindern und Jugendlichen eine Rolle, die in ihren Familien und in ihrem eigenen, erst kurzen Leben bereits viele Abbrüche erfahren und kein stabiles Gefühl von Kontinuität entwickeln konnten.
  • In der Arbeit mit Pflegekindern und Adoptivfamilien unterstützt Biografiearbeit den Identitätsklärungsprozess.
  • Im Wirtschaftsbereich findet Biografiearbeit als Storytelling ihren Platz und ergänzt Coaching-Kompetenzen.
  • Und schließlich ist Biografiearbeit für all jene geeignet, die sich mit wachem Interesse und innerem Antrieb dem eigenen Leben, der Familiengeschichte und der transgenerationalen Dynamik zuwenden wollen.